„Potenzial für weit mehr Zusammenarbeit und Investitionen“

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Kanzler im Interview mit „The Punch“ „Potenzial für weit mehr Zusammenarbeit und Investitionen“

Nigeria ist Deutschlands zweitgrößter Handelspartner in Afrika südlich der Sahara und der Handel nimmt weiter zu. Im Interview mit der nigerianischen Zeitung „The Punch“ spricht Kanzler Scholz über Wirtschaftsbeziehungen, Wasserstoff und Afrika im UN-Sicherheitsrat.

  • Interview mit Bundeskanzler Olaf Scholz
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Portraitbild Bundeskanzler Scholz

Bundeskanzler Olaf Scholz

Foto: photothek.net/Köhler & Imo

Herr Scholz, welchem Zweck dient Ihr Besuch in Nigeria?

Bundeskanzler Olaf Scholz: Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land und die größte Volkswirtschaft Afrikas und uns dort politisch wie wirtschaftlich ein zentraler Partner. Dies ist mein erster Besuch in Nigeria, und ich bin neugierig auf Ihr Land und sehr interessiert daran, unsere Partnerschaft im Hinblick auf wirtschaftliche Zusammenarbeit, Investitionen, globale Fragen, Migration und Sicherheit zu stärken und zu vertiefen.

Auf welche Gesamtsumme belaufen sich gegenwärtig die deutschen Investitionen in Nigeria?

Scholz: Nigeria ist Deutschlands zweitgrößter Handelspartner in Afrika südlich der Sahara. Es freut uns, dass diese Partnerschaft wächst und der Handel zunimmt. Die deutschen Direktinvestitionen in Nigeria betrugen 2021 150 Millionen Euro.

In welchen Bereichen wird Deutschland mehr in Nigeria investieren? In welchem Umfang? 

Scholz: Als jeweils größte Volkswirtschaften unserer Kontinente verfügen wir über das Potenzial für weit mehr Zusammenarbeit und Investitionen. Dies gilt für eine ganze Bandbreite an Sektoren, von Infrastruktur und Energie, Agrarwirtschaft und Bodenschätze über Informations- und Kommunikationstechnologien bis hin zu Verkehr und Logistik, um nur einige zu nennen.

Kürzlich wurde berichtet, Deutschland wolle Mitglied des UN-Sicherheitsrats werden. Trifft das zu? Und wenn ja, warum?

Scholz: Deutschland strebt alle acht Jahre für zwei Jahre einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an. So kandidieren wir wieder für den Zeitraum 2027/2028. Wir unterstützen darüber hinaus die längst überfällige Reform des UN-Sicherheitsrats, in dem vor allem afrikanische Staaten einen ständigen Sitz erhalten und mehr Gehör finden müssen. Deutschland tritt dafür ein, dass Afrika im Rat besser vertreten ist, und unterstützt die afrikanische Position in Bezug auf die Reform des UN-Sicherheitsrats.

Ist Deutschland noch von Russland abhängig, was seine Versorgung mit Gas betrifft? Welche Alternativen verfolgt Deutschland angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine? Welche Auswirkungen hat die Russland-Ukraine-Krise auf Deutschland?

Scholz: Es ist Deutschland im vergangenen Jahr gelungen, innerhalb weniger Monate unabhängig von russischem Gas zu werden – indem wir den Gasverbrauch gesenkt und die Versorgung diversifiziert haben, insbesondere durch einen Umstieg auf LNG und den Ausbau erneuerbarer Energien.

Kann Nigeria für Deutschland zu einem bedeutenden Gaslieferanten werden? Auf welche Weise?

Scholz: Nigeria verfügt über die größten Gasvorkommen in Afrika. Deutsche Unternehmen haben ein Interesse an Gaslieferungen aus Nigeria und sehen einer Zusammenarbeit mit nigerianischen Gasunternehmen erwartungsvoll entgegen. Künftig wird auch Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen, und wir begrüßen gemeinsame Initiativen, einen entsprechenden Markt zu etablieren.

Wie viel nigerianisches Gas braucht Deutschland?

Scholz: Für seine Volkswirtschaft und seine Energiewende hat Deutschland einen erheblichen Bedarf an Erdgas und perspektivisch auch an Wasserstoff. Konkrete Gasmengen wären in Verhandlungen zwischen nigerianischen Produzenten und deutschen Händlern zu vereinbaren.

Die nigerianische Bundesregierung bemüht sich beharrlich um die Rückführung einiger nigerianischer Artefakte und Bronzen aus Deutschland. Wie ist hier der Stand? Konnte Deutschland dazu bewogen werden, alles an Nigeria zurückzugeben?

Scholz: Die Rückgabe der Benin-Bronzen wurde von der Regierung Nigerias und der Regierung Deutschlands ausgehandelt. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Schritt, das Unrecht unserer kolonialen Vergangenheit wiedergutzumachen, sondern um den Beginn einer neuen Beziehung zwischen Nigeria und Deutschland. Da ist einiges in Bewegung, und wir freuen uns über die bereits angelaufene Zusammenarbeit der Kulturministerien in den Bereichen moderne Kunst, Kreativwirtschaft und Museen.

Wo steht Deutschland in der aktuellen Krise zwischen Israel und Palästina?

Scholz: Die terroristischen Anschläge auf Israel, die am 7. Oktober begonnen haben und in deren Verlauf die Terrororganisation Hamas mehr als 1400 Menschen getötet hat, sind barbarisch und verabscheuungswürdig. Israel hat das Recht, sich gegen terroristische Anschläge zu verteidigen. Klar ist auch, dass es das Leben aller Menschen zu schützen gilt. Deutschland leistet dem Gazastreifen daher weiter humanitäre Hilfe und setzt sich dafür ein, dass kontinuierlich Zugang für humanitäre Hilfe gewährleistet ist. Es ist von allergrößter Bedeutung, dass dieser Konflikt nicht weiter eskaliert. Deutschland wünscht sich eine politische Lösung, die sowohl Israelis als auch Palästinensern dauerhaft ein Leben in Frieden und Sicherheit ermöglicht.

Kritiker äußern sich besorgt über die schwierigen und umständlichen Verfahren, wenn es darum geht, ein Visum für Deutschland zu erhalten. Paare, bei denen ein Partner nachziehen möchte, erhalten so leicht kein Visum, und wenn, oft erst nach vielen Monaten. Gibt es Pläne, das Verfahren zu überprüfen?

Scholz: Ja, die gibt es. Die Beschleunigung der Visaverfahren gehört zu unseren Prioritäten. Wir haben ein digitales Tool entwickelt, mit dem eine Visabeantragung online möglich ist, und wir unternehmen eine ganze Menge, um das Visaverfahren so schnell, planbar und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Für Arbeitsvisa haben wir inzwischen Wartezeiten von nur noch zwei bis drei Wochen. Gleichzeitig müssen wir Sicherheitsaspekte im Blick behalten und jeden Antrag einzeln prüfen. Gelegentlich sind Anträge unvollständig oder unkorrekt, was zu Verzögerungen im Verfahren führen kann.